Dritter Gleichstellungsbericht im Familienausschuss
Der Familienausschuss hat sich am Mittwoch den 22.06.2022 vertieft mit dem Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung zum Thema „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ befasst.
Die Vorsitzende der Sachverständigenkommission, Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok, ging in ihrem einleitenden Vortrag zunächst auf die Vorhaben der Bundesregierung ein, in denen die Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsbericht bereits berücksichtigt sind. Dazu gehören insbesondere die Maßnahmen zur Förderung von Gründerinnen in der Digitalbranche, die konstruktive Begleitung der Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit und das geplante Gesetz gegen digitale Gewalt. Prof. Yollu-Tok begrüßte die Maßnahmen, zeigte für diese Bereiche aber auch weitergehenden Handlungsbedarf auf. Sie empfahl u.a. in der Digitalbranche strukturelle Maßnahmen nicht aus dem Blick zu verlieren und betonte Handlungsempfehlungen aus dem Gutachten der Sachverständigen. So sollten Bund und Länder eine umfassende und koordinierte Förderstrategie aufbauen, um geschlechtsbezogene Barrieren in der Digitalbranche abzubauen und erfolgreiche Gründungen zu ermöglichen. Im Bereich der Plattformarbeit sind u.a. Reformen im AGG notwendig, um auch selbstständig tätige Plattformarbeiter*innen umfassend vor Diskriminierungen zu schützen. Zum Schutz vor digitaler Gewalt gehört auch, in Fachberatungsstellen, Polizei-, Strafverfolgungs- und Ordnungsbehörden sowie Justiz nachhaltige Hilfestrukturen zu schaffen und Kompetenzen in Bezug auf digitale Gewalt auf- und auszubauen.
Im zweiten Teil ihres Vortrags ging Prof. Yollu-Tok beispielhaft auf Empfehlungen für weitere Bereiche ein, in denen dringender Handlungsbedarf besteht. Dazu gehört der Schutz vor Diskriminierung bei der Entwicklung und beim Einsatz algorithmischer Systeme. Sie begrüßte die europäischen Bestrebungen für eine Verordnung zur Regulierung sogenannter Künstlicher Intelligenz. Die Handlungsempfehlungen der Sachverständigen gehen beim Schutz vor Diskriminierung jedoch weit über die dort vorgesehenen Regelungen hinaus. So sind z.B. konkrete Verfahrensregelungen für den Schutz vor Diskriminierungen notwendig. Dazu gehören u.a. die externe Kontrolle von Hochrisikosystemen sowie institutionelle Vorkehrungen zum Schutz von Betroffenen, etwa Beschwerdestellen und Beschwerderechte, einschließlich einer Verbandsklage. Anders als im Koalitionsvertrag vorgesehen, empfehlen die Sachverständigen zudem einen echten Rechtsanspruch für Mobiles Arbeiten zu verankern und diesen mit weiteren gesetzlichen Regelungen zu flankieren. Solche Regelungen sollten u.a. folgende drei Punkte beinhalten: Freiwilligkeit von mobiler Arbeit sichern, ausreichende Ausstattung des Arbeitsplatzes bereitstellen und Arbeits- und Gesundheitsschutz sicherstellen.
Abschließend wies Prof. Yollu-Tok darauf hin, dass die Neuordnung der Digitalisierungsstrategie von Anfang an mit der Querschnittsaufgabe Gleichstellung verknüpft werden sollte. Zudem sollten bewährte gleichstellungspolitische Instrumente mit den geplanten Maßnahmen verknüpft werden, also das zentrale Digitalbudget mit Gender Budgeting, den Digitalcheck in Gesetzen mit der gleichstellungsorientierten Folgenabschätzung, usw. Gremien, die sich mit Digitalisierung beschäftigen, sollten gleichermaßen mit Männern und Frauen besetzt werden. Hier empfahl sie zu prüfen, ob die Digitalgremien des Bundes als wesentliche Gremien im Sinne des Bundesgremienbesetzungsgesetzes bestimmt werden können.
Die Abgeordneten bedankten sich im Anschluss an den Vortrag noch einmal für die Arbeit der Sachverständigenkommission. In ihren Fragen gingen die Abgeordneten vor allem auf die Rolle der Bundesstiftung, offene Forschungsfragen, Erkenntnisse zu algorithmenbasierten Diskriminierungen, Gründungen in der Digitalbranche, Belastungen für die Wirtschaft, Reformen im AGG und Arbeitszeitregelungen ein.