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Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,mit gleich drei feministischen Aktionstagen starten wir besonders aktiv und kämpferisch in den März. Neben dem Internationalen Frauentag, der am 8. März ansteht, gibt es mit dem Equal Care Day, der am 1. März stattgefunden hat und dem Equal Pay Day am 7. März noch zwei Aktionstage mit spezifischem Fokus. Letzteren haben wir uns zum Anlass genommen, in diesem Newsletter etwas aus der Kapitelstruktur des Gutachtens auszubrechen: Passend zum Motto „Equal Pay 4.0“ der diesjährigen Equal Pay Day-Kampagne, initiiert vom Business and Professional Women (BPW) Germany e.V, geht es im „Einblick ins Gutachten“ und dem zugehörigen Interview um das Thema Entgeltungleichheit in der digitalen Arbeitswelt. Auch unter „Aktuelles“ gibt es dieses Mal einen thematisch passenden Hinweis: Der German Equal Pay Award wird erstmals verliehen. Zudem freuen wir uns, die Veröffentlichung der Dokumentation zur Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ zu verkünden, über die wir im Newsletter regelmäßig berichtet haben. Auch einen Hinweis auf die englische Fassung unserer Website, sowie auf eine frisch veröffentlichte Meldung und Einschätzung aus der Geschäftsstelle zur EU-KI-Verordnung finden Sie in dieser Rubrik. Abschließend gibt es wie immer Hinweise auf vergangene und Ankündigungen zukünftiger Veranstaltungen, die spannend für Sie sein könnten. Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre! |
Inhalt dieser AusgabeAktuelles: Dokumentation der Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ veröffentlicht | Website der Geschäftsstelle jetzt auf Englisch | Die europäische KI-Verordnung: Übersicht der gleichstellungs- bzw. diskriminierungsrelevanten Aspekte | Erster „Equal Pay Award“ wird verliehen Einblick in das Gutachten: Entgeltungleichheit in der digitalisierten Arbeitswelt | Drei Fragen an Andrea Jochmann-Döll | Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören) Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission: Vergangene und kommende Veranstaltungen |
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Dokumentation der Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ veröffentlichtDie Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts waren der zentrale Impuls für die Veranstaltungsreihe der EAF in Kooperation mit der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht und dem Harriet-Taylor-Mill-Institut. Doch wie können diese Empfehlungen in der Praxis umgesetzt werden? Welche konkreten Schritte sind notwendig, um die technologischen Veränderungen im Sinne einer soziotechnischen Perspektive tatsächlich gleichstellungsorientiert zu gestalten, etwa in Bereichen wie Softwareentwicklung, Gründungsförderung oder Plattformökonomie? Das haben wir mit Akteur*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft in fünf Gesprächen am Runden Tisch diskutiert. Über den Link auf der Website des Dritten Gleichstellungsberichts können Sie die Dokumentation der Veranstaltungsreihe herunterladen. |
Website der Geschäftsstelle jetzt auch auf EnglischInformationen rund um die Gleichstellungsberichte der Bundesregierung sowie einen Überblick über die Themen des Dritten Gleichstellungsberichts in englischer Sprache finden Sie jetzt auf der englischen Website. Auch die ins Englische übersetzten Publikationen, wie die Themenblätter und die Broschüre, sind dort zusammengestellt. |
Die europäische KI-Verordnung: Übersicht der gleichstellungs- bzw. diskriminierungsrelevanten Aspekte des GesetzentwurfsDerzeit werden auf EU-Ebene Regeln für algorithmische Systeme entwickelt. Die Geschäftsstellenmitarbeiterin Dr. Andrea Knaut hat Prozess, Ziel und Inhalt des Gesetzentwurfs in einer Aktuelles-Meldung auf unserer Website zusammengefasst. Die prinzipielle Stoßrichtung des Entwurfs für ein Europäisches Gesetz über Künstliche Intelligenz ist im Sinne des Dritten Gleichstellungsberichts. Im Detail gehen die Handlungsempfehlungen des Gutachtens jedoch an vielen Punkten über die derzeitig vorgesehenen Regelungen hinaus. In der Übersicht der wesentlichen gleichstellungs- bzw. diskriminierungsrelevanten Aspekte des Gesetzentwurfs über Künstliche Intelligenz werden die entsprechenden Empfehlungen im Dritten Gleichstellungsbericht zu diesen Themen neben das aktuelle Vorhaben gestellt. Der Gesetzentwurf wird auch zivilgesellschaftlich viel diskutiert. Die Geschäftsstelle hat für Sie ausgewählte Kritikpunkte zivilgesellschaftlicher Organisationen am Gesetzentwurf mit Bezug zum Schutz vor Diskriminierung und Verwirklichungschancen, unabhängig vom Geschlecht zusammengefasst. |
Erster „Equal Pay Award“ wird verliehenMorgen, am 4. März 2022 verleiht Bundesgleichstellungsministerin Anne Spiegel erstmalig den German Equal Pay Award. Der Preis wird im Rahmen des BMFSFJ-Unternehmensprogramms „Entgeltgleichheit fördern“ vergeben. Mit dem Wettbewerb sollen Unternehmen ausgezeichnet und öffentlich vorgestellt werden, die sich in besonderer Weise für Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern engagieren. Zur Jury, die über die Verleihung entscheidet, gehört auch ein Mitglied der Sachverständigenkommission zum Dritten Gleichstellungsbericht: Prof. Dr. Miriam Beblo, die ihre langjährige Expertise zur Bekämpfung von Entgeltungleichheit einbringt. Auf der Website des Programms „Entgeltgleichheit fördern“ gibt es mehr Informationen, sowie den Livestream zur hybriden Veranstaltung am 4. März. |
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Entgeltungleichheit in der digitalisierten Arbeitswelt
Illustrationen von Ka Schmitz / Imke Schmidt-Sári Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit. Diese Forderung ist mit der Digitalisierung der Arbeitswelt keineswegs obsolet geworden. Die altbekannten geschlechtlichen Strukturierungen des Arbeitsmarktes und deren Auswirkungen auf Löhne und Einkommen sind weiterhin wirkmächtig. Frauen und Männer arbeiten nach wie vor in unterschiedlichen Branchen und Berufen und Frauen unterbrechen oder reduzieren häufiger ihre Erwerbstätigkeit, um Kinder oder Angehörige zu betreuen. Zudem sind Frauen in Führungspositionen nach wie vor deutlich unterrepräsentiert. Dies alles trägt zum Gender Pay Gap bei, der noch immer bei 18 Prozent liegt. Das Gutachten zum Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung weist mit Nachdruck darauf hin, dass die Digitalisierung diese Strukturen keineswegs einebnet oder sie gar automatisch in Luft auflöst. Vielmehr muss die Digitalisierung der Arbeitswelt bewusst geschlechtergerecht gestaltet werden. Sonst droht sich das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern durch die Digitalisierung noch zu vergrößern. Dies lässt sich mit Blick auf die Digitalbranche illustrieren: Die Branche gehört zu den Treiberinnen der Digitalisierung, mit kontinuierlich wachsender Bedeutung. Allerdings ist der Anteil der weiblichen Beschäftigten in den IKT-Berufen mit ca. 17 Prozent nach wie vor sehr gering. Frauen profitieren damit wenig von den Einkommenschancen in dieser sich positiv entwickelnden Branche. Vielmehr besteht die Gefahr, dass sich der branchenübergreifende Gender Pay Gap vergrößert, wenn Frauen von positiven Lohnentwicklungen in der Digitalbranche abgeschnitten bleiben. Mit dem geringen Anteil in der Digitalbranche sind Frauen ausgerechnet in einer Branche wenig vertreten, in der der Gender Pay Gap mit durchschnittlich 7 Prozent erheblich niedriger ist als in anderen Branchen. Nicht unter den Tisch fallen darf jedoch: Auch hier besteht Handlungsbedarf, denn je kleiner das Unternehmen desto höher der Gender Pay Gap – und kleine und mittlere Unternehmen sind in der Digitalbranche ausgesprochen häufig. „Ungerechter Lohn verschwindet [auch] nicht, wenn mehr Frauen programmieren“ erläuterte Felicitas Wilke in einem ZEIT-Artikel (2018). Gerade die Geschichte der Softwareentwicklung zeigt, wie sehr geschlechtliche Zusammensetzung einer Branche und Entlohnung zusammenhängen, so Rhaina Cohen im Atlantic-Artikel (2016) ˮWhat Programming's Past Reveals About Today's Gender-Pay Gap“. Der Frauenberuf Computer (Rechnerin) galt zu Beginn der Computergeschichte als eine leichte Bürotätigkeit und wurde nur mäßig entlohnt. Clive Thompson berichtete im Smithsonian Magazine (2019) über “The Gendered History of Human Computers”: Zwar bezahlten Institutionen wie die NASA Rechnerinnen in den 1950ern mehr, als sie in anderen Bürotätigkeiten erhalten hätten und stellten auch Mütter ein. Das unsichtbar gemachte Vermächtnis der Frauen, die Männer sicher auf den Mond schickten, wurde jedoch erst Dekaden später anerkannt. Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts – seitdem mehr Männer die IT-Branche eroberten – stiegen Prestige und Bezahlung. Die Sachverständigen empfehlen u.a. das Entgelttransparenzgesetz zu überarbeiten. Dabei, so die Sachverständigenkommission, sollten die betrieblichen Berichtspflichten im Hinblick auf Gleichstellung und die Prüfpflichten bzgl. der betriebseigenen Entgeltregelungen weiterentwickelt werden. Gesetzliche Regelungen sollten z.B. Standards für Berichte und Prüfverfahren einfordern, Verbindlichkeit herstellen sowie auch für kleinere Unternehmen gelten. Damit würde auch die Digitalbranche mit ihrer spezifischen Größenstruktur besser erfasst. 95% der Betriebe in der Digitalbranche sind Kleinst- oder Kleinbetriebe, für die das Entgelttransparenzgesetz nicht gilt. Um mehr Frauen für die Digitalbranche zu gewinnen, sie dort aber auch zu halten und ihren Aufstieg zu fördern, empfiehlt die Sachverständigenkommission, Arbeitskultur und Arbeitsorganisation so zu verändern, dass sie auf die Bedürfnisse einer vielfältigen Mitarbeiterschaft ausgerichtet sind – insbesondere auch auf solche mit Sorgeverantwortung. Denn hier handelt es sich nach wie vor zumeist um Frauen. „Fix the company – not the women!“ So die auf den Punkt gebrachte Empfehlung des Gutachtens. Die mit der Digitalisierung einhergehenden Veränderungen sollten auch außerhalb der Digitalbranche zum Anlass genommen werden, die Bewertung von Arbeitsplätzen und deren Bezahlung genauer unter die Lupe zu nehmen. Damit Arbeit gerecht entlohnt wird und gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit erzielt werden kann, muss Arbeit zunächst gerecht bewertet werden. Mit der Digitalisierung haben sich Arbeitsanforderungen und -belastungen in vielen Berufsfeldern verändert. Solche (neuen) digitalisierungsbezogenen Anforderungen und Belastungen müssen unabhängig z.B. von überholten Berufs- und Tätigkeitsvorstellungen oder Geschlechterstereotypen erfasst und bewertet werden. Das von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Projekt „Entgeltgleichheit im Wandel?“ knüpft an die Empfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichtes an. Dr. Christina Klenner, PD Dr. Alexandra Scheele und Dr. Andrea Jochmann-Döll untersuchen u.a., welche Bedeutung die Digitalisierung von Arbeit für Entgeltgleichheit und deren Überprüfung in Betrieben hat. Für unseren Newsletter beantwortet Dr. Andrea Jochmann-Döll drei Fragen zu den Ergebnissen des Projekts. Weiterlesen: Themenblatt 3: „Digitalisierte Wirtschaft: Arbeitsmarkt – Digitalisierung – Geschlechterverhältnisse“ Themenblatt 7: „Digitalbranche: Gleichstellungsorientierte Arbeitskulturen und Arbeitsmethoden“ |
Drei Fragen an Dr. Andrea Jochmann-Döll
Dr. Andrea Jochmann-Döll ist Wissenschaftlerin und Beraterin; sie betreibt das Forschungs- und Beratungsbüro GEFA (Gender.Entgelt.Führung.Arbeit).
Für ihre Studie haben Sie und ihre Kolleginnen unter anderem vier Betriebe untersucht, die eine Prüfung der Entgeltgleichheit vorgenommen haben. Was unterscheidet diese vier Betriebe von den vielen Betrieben, die eine solche Prüfung bisher nicht vorgenommen haben? Unsere Studie hat explorativen Charakter. Deshalb haben wir keine repräsentative Auswahl von Betrieben vorgenommen, sondern gezielt Betriebe gesucht, die Prüfungen der Entgeltgleichheit vorgenommen haben. Wir haben sie dort gefunden, wo es engagierte Personen im Betriebsrat gibt, die trotz knapper Ressourcen der Frage der Entgeltgleichheit eine hohe Bedeutung beimessen – und zwar aufgrund ihrer gleichstellungspolitischen Überzeugungen. Dieses besondere Engagement einzelner betrieblicher Akteur*innen scheint das zentrale Unterscheidungsmerkmal zu anderen Betrieben zu sein, in denen Entgeltgleichheit nicht auf die Agenda gesetzt wird. Hierin gleichen sich jedenfalls die von uns untersuchten Betriebe. Zugleich scheint sich positiv auszuwirken, wenn auch der Arbeitgeber gleichstellungs- oder diversity-orientierte Leitbilder verfolgt und sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren will. Auch wenn in keinem der untersuchten Betriebe die Entgeltgleichheit im umfassenden Sinne und modellhaft geprüft wurde, waren die Betriebsräte in allen vier Betrieben davon überzeugt, dass eine Überprüfung notwendig ist. Deshalb setzten sie sich unter den gegebenen Bedingungen und Restriktionen für Entgeltgleichheit ein. So wurde in einem Betrieb erfolgreich für eine bessere Entlohnung frauendominierter Arbeitsplätze gekämpft, obwohl der Tarifvertrag über 30 Jahre alt ist und völlig veraltete Tätigkeitsbeschreibungen enthält. Seine Aktualisierung scheiterte am Desinteresse der Arbeitgeberseite. In einem zweiten Betrieb wurden Analysen durchgeführt, die dem Betriebsrat allerdings wenig aussagekräftig erschienen und in deren Folge keine Veränderungen von Entgelten im Betrieb erfolgt sind. In den beiden anderen Betrieben wurde zwar eine Prüfung der Entgeltgleichheit angestrebt, jedoch liegen noch keine Prüfergebnisse vor, da entweder die Prüfungen durch Ressourcenmangel ins Stocken geraten sind, oder sich das gesamte Entgeltsystem noch in der Verhandlung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeberseite befindet, da kein Tarifvertrag gilt.
Inwiefern macht die zunehmende Digitalisierung von Betrieben eine Prüfung der Entgeltungleichheit umso notwendiger? Durch Digitalisierungsprozesse verändern sich Tätigkeiten, Arbeitsaufgaben, Arbeitsinhalte und die Organisation der Arbeit in Unternehmen auf unterschiedliche Weise. Als Konsequenz daraus verändern sich auch die Anforderungen und Kompetenzerwartungen an die Beschäftigten. Diese wiederum dienen als Basis der Arbeitsbewertung und Entgeltfindung. Aus der Forschung wissen wir, dass eine mangelnde Berücksichtigung wesentlicher Anforderungen an frauendominierte Tätigkeiten zu ihrer Unterbewertung und vergleichsweise zu geringen Bezahlung führt. Dies gilt es für die digitalisierte Zukunft zu verhindern. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass Veränderungen durch die Digitalisierung eher als Evolution, denn als Revolution wahrgenommen werden – also als langsame, fast schleichende Veränderungen. Dies kann jedoch dazu führen, dass veränderte Anforderungen als alltäglich und selbstverständlich wahrgenommen ("schleichende Alltäglichkeit") und deshalb als neue professionelle Anforderungen übersehen werden. Damit bleiben sie möglicherweise bei der Bewertung und Vergütung von Arbeit unberücksichtigt – und führen zu neuen Unterbewertungen. In einem unserer untersuchten Betriebe wurden im Zuge der Digitalisierung einige Tätigkeiten anspruchsvoller und vielfältiger. Dies traf insbesondere für frauendominierte Arbeitsplätze in der Verpackung zu. So sind hier durch den Einsatz von Maschinen nicht nur die Anforderungen an Planungs-, Organisations-, Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit gestiegen, sondern die Beschäftigten müssen auch mehr Verantwortung für die Produktionsanlagen und den Produktionsablauf übernehmen. Durch die Intervention des Betriebsrates konnte ein Teil der Beschäftigten als Maschinenführer*innen qualifiziert und höher eingruppiert werden. Außerdem hat sich der Betriebsrat erfolgreich dafür stark gemacht, dass die gestiegenen Anforderungen an die Anlagenleiter*innen mit einer dauerhaften Zulage honoriert wurden. In einem anderen Untersuchungsbetrieb wurde der aktuell zu beobachtende Wegfall von Routinetätigkeiten in der Verwaltung, im Personalbereich und im Bereich Finanzen zunächst als positives Ergebnis der Digitalisierung gesehen. Es wurden jedoch auch neue und steigende Anforderungen an geistige Flexibilität und Bereitschaft zu lebenslangem Lernen, Umgang mit Stress und Selbstreflexion beobachtet. Ob es gelingt, diese neuen Anforderungen eingruppierungsrelevant zu berücksichtigen und der Gefahr der Dequalifizierung und langfristigen Senkung des Entgeltniveaus erfolgreich zu begegnen, ist jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch offen. Der geltende Tarifvertrag bietet hierfür jedenfalls auf den ersten Blick keine Anhaltspunkte, denn danach ergibt sich die Eingruppierung aus dem formalen Ausbildungsniveau in Kombination mit Verantwortung und Entscheidungsspielraum.
Die Sachverständigenkommission zum Dritten Gleichstellungsbericht empfiehlt u.a. Änderungen im Entgelttransparenzgesetz. Beispielsweise sollen die im Gesetz vorgesehenen Prüfverfahren zur Entgeltregelung angepasst werden. Auf was wäre vor dem Hintergrund der Digitalisierung bei einer solchen Neuregelung besonders zu achten? Was die Verfahren zur Prüfung der Entgeltgleichheit betrifft, haben wir drei Herausforderungen identifiziert, denen sie sich stellen müssen: Erstens stellen aktuelle Tätigkeitsbeschreibungen noch mehr als bislang eine notwendige Grundlage seriöser Prüfungen der Entgeltgleichheit im Sinne diskriminierungsfreier Entlohnung dar. Das gilt für betriebliche Eingruppierungsgrundlagen und für Tarifverträge gleichermaßen. Prüfungen der Entgeltgleichheit müssen also bereits bei den Leitlinien und den Rhythmen der Aktualisierung von Tätigkeitsbeschreibungen beginnen. Die zweite Herausforderung besteht darin, veränderte Anforderungen im kognitiven Bereich, im Bereich psychischer Belastungen und in Bezug auf die Verantwortung der Einzelnen angemessen, differenziert und geschlechtsneutral abzubilden. Hier besteht noch arbeitswissenschaftlicher Forschungsbedarf. Als dritte Herausforderung ergibt sich aus beiden Feststellungen, dass eine Modernisierung vieler Tarifverträge auf die Tagesordnung gestellt werden müsste. Zentral wäre dabei zu überprüfen, ob alle veränderten Anforderungen und Belastungen an den Arbeitsplätzen durch die tariflichen Orientierungs-, Richt- oder Niveaubeispiele erfasst werden. Die Geschlechtsneutralität und Diskriminierungsfreiheit der Tätigkeitsbeschreibungen und der anschließenden Arbeitsbewertung wäre eine wesentliche Anforderung. Doch nicht nur an die Prüfverfahren selbst, auch an die Rahmenbedingungen ihrer Anwendung sind Forderungen zu erheben. So hat unsere Analyse gezeigt, dass es unabdingbar ist, die Verbindlichkeit der Prüfung deutlich zu erhöhen, und zwar erstens im Hinblick auf die Durchführung der Prüfung, zweitens im Hinblick auf verbindliche Anforderungen an die (idealerweise zertifizierten) Prüfverfahren und drittens im Hinblick auf die Einbeziehung der Tarifverträge in eine verbindliche Prüfung. Außerdem halten wir es für unerlässlich, dass auch Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten zu einer Prüfung der Entgeltgleichheit verpflichtet werden müssen. Die Erkenntnisse aus unserer Untersuchung stehen somit im Einklang mit den Empfehlungen, die die Sachverständigenkommission zum Dritten Gleichstellungsbericht für das Handlungsfeld Entgeltgleichheit ausspricht. Und auch der aktuelle Vorschlag der Europäischen Kommission für eine neue Richtlinie der EU zur Entgeltgleichheit sieht eine größere Verbindlichkeit für die Berichterstattung über Entgeltdifferenzen und das Ergreifen von Maßnahmen zur Gewährleistung der Entgeltgleichheit vor, wie beispielsweise durch die Einführung einer geschlechtsneutralen Arbeitsbewertung und beruflichen Einstufung. Zum Weiterlesen: Die Studie 'Entgeltgleichheit im Digitalen Wandel' von Andrea Jochmann-Döll, Christina Klenner und Alexandra Scheele erscheint demnächst als Working Paper bei der Hans-Böckler-Stiftung. |
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Ausgewählte vergangene und kommende VeranstaltungenDie Sachverständigen und die Geschäftsstelle stellen die Inhalte des Gutachtens bei verschiedensten Konferenzen, Tagungen und Sitzungen vor. Auf unserer Homepage finden sie einen Überblick über die vergangenen und bisher geplanten Veranstaltungen. Wenn Sie selbst eine Veranstaltung planen, können Sie sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Email [gleichstellungsbericht@iss-ffm.de] an uns wenden. Veranstaltungen zu Equal Pay 4.0:
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