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Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,in unserem letzten Newsletter für dieses Jahr beschäftigen wir uns mit dem Themenfeld Anforderungen an Kompetenzen und Kompetenzerwerb in der digitalisierten Gesellschaft und Wirtschaft. Im „Einblick ins Gutachten“ wird erklärt, was genau mit „digitalisierungsbezogenen Kompetenzen“ gemeint ist, warum diese wichtig sind und wie sie mit Genderkompetenz und der soziotechnischen Perspektive zusammenhängen. Prof. Dr. Helene Götschel gibt uns im „3 Fragen an…“-Format Einblick in ihre Arbeit an dieser Schnittstelle an der Universität Darmstadt. Auch eines der drei neuen Themenblätter befasst sich mit digitalisierungsbezogenen Kompetenzen (Themenblatt 9). Die beiden weiteren Neuveröffentlichungen setzen sich mit den gleichstellungspolitischen Strukturen und Instrumenten (Themenblatt 10) und Gleichstellung in der Plattformökonomie (Themenblatt 11) auseinander. Unter „Aktuelles“ finden Sie zudem die Ankündigung des vierten und letzten Roundtables dieses Jahres zur „Digitalisierten Arbeitswelt“, sowie einen kurzen Rückblick auf bisherige Veranstaltungen der Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“. Ebenfalls interessant könnte für viele die Aktuelles-Meldung zum Koalitionsvertrag sein. Dieser wurde von Mitgliedern der Geschäftsstelle nach den Überschneidungspunkten mit den Empfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts hin gegengelesen. Mehr Details finden Sie unten bzw. auf unserer Homepage. Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre! |
Inhalt dieser AusgabeAktuelles: Neue Themenblätter veröffentlicht | Vierter Roundtable zum Thema Digitalisierte Arbeitswelt | Koalitionsvertrag veröffentlicht Einblick in das Gutachten: Anforderungen an Kompetenzen und Kompetenzerwerb | Drei Fragen an Prof. Dr. Helene Götschel | Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören) Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission: Vergangene und kommende Veranstaltungen |
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Neue Themenblätter veröffentlicht
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Roundtables der Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“
Bislang fanden schon drei Roundtables der Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ der EAF in Kooperation mit der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht und dem Harriet-Taylor-Mill-Institut statt: Auf einer ersten Veranstaltung am 11. November ging es um das Thema diskriminierungsfreie Technikentwicklung und - gestaltung. Am 24. November sprach eine Expert*innenrunde über geschlechtergerechte Förderungen von Gründungen in der Digitalbranche. Am 7. Dezember wurden die Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts zu Gleichstellung in der Plattformarbeit diskutiert. In diesem Newsletter dürfen wir Ihnen nun schon den vierten Roundtable am 14. Dezember zum Thema digitalisierte Arbeitswelt ankündigen. Starten wird die Veranstaltung mit zwei Kurzinputs: Prof. Dr. Katja Nebe aus der Sachverständigenkommission zum Dritten Gleichstellungsbericht wird Ergebnisse und Empfehlungen des Berichts zum Thema vorstellen. Im Anschluss wird Maren Heltsche, Vorstandsmitglied im Deutschen Frauenrat (DF), diese kommentieren und einen kritischen Blick auf die nach wie vor ungleich verteilten Verwirklichungschancen in der digitalisierten Arbeitswelt werfen. Anschließend werden wir mit Akteur*innen aus dem Feld der praxisnahen Umsetzung und Gestaltung ins Gespräch kommen, um weiter an Umsetzungsideen der Handlungsempfehlungen des Gutachtens zu arbeiten. Wenn Sie an einer Roundtable-Veranstaltung teilnehmen möchten, können Sie sich über die Veranstaltungswebsite registrieren. Eine Registrierung genügt für die gesamte Veranstaltungsreihe; falls Sie sich also bereits für das Kick-Off oder frühere Roundtables registriert haben, können Sie sich mit diesen Daten auch für die kommenden Roundtables einloggen. |
Koalitionsvertrag der neuen Regierung veröffentlichtDie zukünftige Regierung strebt die umfassende Digitalisierung der Verwaltung an und auch in allen anderen Politikbereichen wird die Digitalisierung eine Rolle spielen. Gleichzeitigt setzen sich die Koalitionsparteien zum Ziel, die Gleichstellung bis zum Jahr 2030 zu erreichen. Ob dieses Ziel erreicht werden kann, hängt auch davon ab inwiefern bestehende Ungleichheiten bei der angedachten digitalen Transformation berücksichtigt werden. Mit Blick auf die geschlechtergerechte Gestaltung der Digitalisierung haben wir uns für Sie in einem ersten Schritt den Koalitionsvertrag angeschaut und für ausgewählte Bereiche mit den 101 Handlungsempfehlungen des Gutachtens für den Dritten Gleichstellungsbericht der abgeglichen. Sie finden den Text auf unserer Homepage. |
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Anforderungen an Kompetenzen und Kompetenzerwerb
Spätestens seit der Coronapandemie hat die Digitalisierung alle unsere Lebensbereiche durchdrungen. Um in dieser digitalisierten Gesellschaft und speziell auf dem Arbeitsmarkt zurechtzukommen und die Veränderungsprozesse mitzugestalten zu können, benötigen alle Menschen digitalisierungsbezogene Kompetenzen. Die Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht spricht sich daher dafür aus, dass digitalisierungsbezogene Anforderungen als Querschnittsaufgabe in allen Bildungsangeboten mitgedacht und mit Genderkompetenz verbunden werden. Das ist z.B. auch für den im Koalitionsvertrag angestrebten Ausbau der digitalen Bildung, der Weiterentwicklung der Nationalen Weiterbildungsstrategie sowie der Förderung von Medienkompetenzen relevant. Digitalisierungsbezogene Kompetenzen erschöpfen sich nicht in der Fähigkeit, bestimmte Computerprogramme zu bedienen oder den PC im Büro mit dem W-LAN-Drucker verbinden zu können. Zu den erforderlichen Kompetenzen gehört ein Verständnis von Funktionsweise, Programmierung und Grenzen informationstechnischer Systeme, aber auch z.B. Kenntnisse zum Daten- und Persönlichkeitsschutz und zum Umgang mit Gefahren im digitalen Raum. Um das zu erreichen, empfiehlt die Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht beispielsweise, soziotechnische Perspektiven im Schulfach Informatik zu verankern. Das heißt ein Verständnis dafür zu vermitteln, dass und wie Technik und Gesellschaft zusammenhängen. Die Digitalisierung ist ebenso wie die Gesellschaft durch Geschlechterverhältnisse geprägt. Dies findet sich auch im Bildungssystem wieder: In der Schule werden z. B. Geschlechterfragen in Bezug auf die MINT-Fächer oftmals nicht ausreichend reflektiert. Wenn Lehrkräfte das Interesse und die Leistung von Mädchen im Schulfach Mathematik weniger anerkennen, hat dies einen negativen Einfluss auf das Selbstbild der Mädchen. Das wirkt sich wiederum auf die weiteren Bildungswege aus: Studierende in den Ingenieurswissenschaften (inkl. Informatik) sind trotz vieler Programme und Initiativen zu drei Vierteln männlich. Und noch schlechter sieht es in Ausbildungsberufen wie Industriemechaniker*in oder Fachinformatiker*in aus. Um Barrieren, die z.B. durch Geschlechterstereotype entstehen abzubauen, muss digitalisierungsbezogene Genderkompetenz in die Qualifizierung von Lehrkräften aller Bildungsbereiche implementiert werden, so die Sachverständigenkommission. Lücken gilt es auch in der Weiterbildung zu schließen. Männer nehmen nach wie vor häufiger an Weiterbildungen teil als Frauen. Zudem nehmen Männer an ökonomisch besser verwertbaren Weiterbildungen teil und häufiger an betrieblicher Weiterbildung. Frauen nutzen eher kommerzielle Weiterbildungsangebote und tragen dabei die Kosten auch häufiger selbst. Digitale Weiterbildungsangebote, wie Online-Kurse und Lernmaterialien, die als Open Educational Ressources (OER) verstärkt auch unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, bieten eine Chance, die „Weiterbildungs-Lücke“ zu schließen. Zu Qualität und Nutzung von OER liegen allerdings, auch aus Gleichstellungsperspektive, kaum Befunde vor. Hier gilt es Wissenslücken zu schließen, sowie Projekte und Träger zu fördern, die qualitativ hochwertige OER geschlechtergerecht zur Verfügung stellen. Bisher fehlt es im Bereich der digitalisierungsbezogenen Kompetenzen noch an ausreichend öffentlichen Angebote, die sich an Frauen und andere unterrepräsentierte Gruppen richten. Jedoch gibt es eine Reihe von gemeinwohlorientierten Anbieter*innen, die mit ihren Kursen und Workshops zum Thema Programmierung und Digitalisierung explizit Mädchen/Frauen, trans und nicht-binäre Personen adressieren (z.B. „Code Curious“ oder „Django Girls“). Andere bieten Beratung, Coaching oder Weiterbildung für Frauen und Organisationen an und legen dabei einen Schwerpunkt auf IKT- und Medienkompetenzen (z.B. FrauenComputerZentrumBerlin). Die Sachverständigenkommission empfiehlt diese gemeinwohlorientierten Anbieter*innen zu fördern sowie weitere Angebote aufzubauen. Welche digitalisierungsbezogenen Kompetenzen besonders wichtig sind und wie diese z.B. an Hochschulen vermittelt werden können, erklärt Prof. Dr. Helene Götschel in unserem „Drei Fragen an…“- Format. |
Drei Fragen an Prof. Dr. Helene GötschelDer Dritte Gleichstellungsbericht betont die Wichtigkeit, digitalisierungsbezogene Kompetenzen und Genderkompetenz im Kontext von (Weiter)Bildung zusammenzudenken. Gender- und diversity-reflektierte Hochschullehre in MINT-Fächern ist auch einer der Schwerpunkte Ihrer Arbeit. Wie kann diese Verknüpfung in Hochschulcurricula praktisch umgesetzt werden? Gerade in MINT-Fächern konzentrieren sich leider viele Lehrende ausschließlich auf die Vermittlung von Fachwissen, dies führt zu einer unreflektierten Verbreitung wirkmächtiger Geschlechternormen und hegemonialer Technikbilder. Einstellungen der Lehrenden, Motivation der Lernenden, der soziokulturelle Kontext sowie Kommunikation und Interaktion sind nur einige der Faktoren, die eine wichtige Rolle spielen. Dies gilt bereits für die analoge Lehre, verstärkt sich jedoch nochmals in digitalen Settings, wie sie derzeit wegen der Pandemie häufig sind. So führt der verdichtete Einsatz von digitalen Lernmaterialien, Lernplattformen, Videokonferenzsystemen und digitalen Prüfungsformaten bei Studierenden der MINT-Fächer zur Überforderung und Vereinsamung, hängt Studierende mit Familienpflichten oder geringer technischer Ausstattung ab, schafft durch massive Reizüberflutungen neue Hürden für Studierende mit Beeinträchtigungen (wie ADHS, Hörschädigung). Diesen Aspekten muss auf praktischer Ebene aktiv entgegengewirkt werden, z.B. durch eine die Lehrveranstaltung begleitende Awareness-Assistenz. An der TU Darmstadt gelingt das Zusammendenken in Ansätzen. In der MINT-Lehramtsausbildung für Gymnasiallehrkräfte etwa wird zusätzlich zu pädagogischen Fähigkeiten und fachwissenschaftlichen Inhalten ein attraktives Lehrangebot zum pädagogischen Verstehen von Naturwissenschaften und Nachhaltigkeit, pädagogischen Handlungskompetenzen in einer von Digitalisierung und Mediatisierung geprägten Kultur, technikphilosophischen Fragen zur Wechselwirkung von technologischen und soziokulturellem Wandel sowie zur Anwendung von Analyse-Techniken (z.B. Data Mining) vermittelt. Gender- und Diversity-Kompetenzen werden im Vernetzungsbereich als Querschnittsaufgaben gesehen, was letztlich bedeutet, dass ihre Vermittlung vom Vorwissen und Engagement der Dozierenden abhängig ist. Welche strukturellen Hindernisse stehen der Umsetzung dieser Vision an Universitäten entgegen und wie lassen sich diese überwinden? Lassen Sie mich das wieder mit Bezug auf die pandemiebedingte Digitalisierung der Hochschullehre beantworten: Studierende sind, wenn nicht z.B. Einschränkungen durch die aktuelle Lebenssituation, finanzielle Sorgen oder körperliche Beeinträchtigungen dem entgegenstehen, dem digitalen Wandel an der Hochschule gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen. Anders sieht es auf Ebene der Lehrenden aus. Digitale Lehre erfordert neue Lehrziele, Lernbegleitung statt Wissensvermittlung, erfordert eine andere Didaktik sowie Gender- und Diversity-Kompetenz, um neue Ausschlüsse zu erkennen und zu verhindern. Universitätsangehörige können sich Unterstützung durch e-Learning-Zentren holen. Dass Kurse wegen zu geringer Teilnahmezahl nicht zustande kommen, muss nicht unbedingt am Desinteresse der Zielgruppe liegen. Es kann auch der Überlastungssituation geschuldet sein und verweist meines Erachtens auf ein strukturelles Problem. Eine zweistündige Schulung zu online-Prüfungen oder LINK-Sammlungen zu Best Practice Beispielen ersetzen nicht den langfristigen kollegialen Austausch und eröffnen keinen Raum, um durch Scheitern zu lernen. Gender & Diversity Aspekte bleiben so auf der Strecke. Veränderungsprozesse müssten längerfristig angelegt sein. Dies würde den beteiligten Akteur*innen ermöglichen, forschend zu lernen und Anforderungen an Digitalisierungsprozesse und ihre Tools zu stellen, z.B. welche Formen von Kommunikation und Austausch ein Videokonferenzsystem unterstützen, welche Aktionen eine Lernplattform anbieten sollte, welches Design Vielfalt adressieren und dabei implizite Biases und stereotypisierende Ansprachen vermeiden könnte. Hochschulen müssten entsprechende fachübergreifende Projekte auf den Weg bringen. Digitalisierung spielt auch in Schulen eine immer größere Rolle- seit Beginn der Pandemie mussten viele Schulen auf digitale Formate umstellen. Doch auch schon vorher wurden digitale Medien im Unterricht eingesetzt oder es gab z.B. Informatik als Schulfach. Bislang fehlt es oft an soziotechnischen und gendersensiblen Herangehensweisen. Welche Kompetenzen sind in diesem Kontext insbesondere für Lehrkräfte, die später Informatik oder andere MINT-Fächer unterrichten, wichtig? Wo sehen Sie Herausforderungen? Die Diskussion zur Digitalisierung im Schneckentempo an Schulen wird meist sehr technikzentriert geführt. In der Corona-Krise war regelmäßig zu hören, es fehle an Tabletts für Schüler*innen, an schnellem Internet für Schulen und an technischen Kompetenzen bei Lehrkräften. Didaktische Kompetenzen dagegen wurden kaum thematisiert. Im wissenschaftlichen Diskurs überwiegen Einschätzungen, dass sich digitale Medien besonders gut zur Individualisierung und Differenzierung des Unterrichts eignen würden, während mahnende Stimmen darauf hinweisen, dass sich längst nicht alle Lehr- und Lernprozesse digital abbilden ließen und die beim online Lernen erzeugten Daten kommerziell zur Privatisierung, Standardisierung und Automatisierung von Bildung genutzt würden. Angehende Lehrkräfte in MINT-Fächern sollten die vielfältigen Meinungen und Motivationen im Diskurs um Digitalisierung einordnen, sowie die Nutzung digitaler Medien im jeweiligen Fachunterricht aus didaktischer Perspektive begründen und reflektieren können. Gleichzeitig müsste es Teil ihrer Professionalisierung sein, das wirkmächtige Geschlechternormen und hegemoniale Technikbilder transportierende „hidden curriculum“ des digitalen wie analogen MINT-Fachunterrichts sichtbar machen und durchkreuzen zu können. |
Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)Lesen:
Sehen:
Hören:
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Ausgewählte vergangene und kommende VeranstaltungenDie Sachverständigen und die Geschäftsstelle stellen die Inhalte des Gutachtens bei verschiedensten Konferenzen, Tagungen und Sitzungen vor.
Wir freuen uns, nach einer kurzen Winterpause im kommenden Jahr auf weiteren spannenden Veranstaltungen die Ergebnisse des Berichts vorstellen zu dürfen. Auf unserer Homepage finden sie einen Überblick über die vergangenen und bisher geplanten Veranstaltungen. Wenn Sie selbst eine Veranstaltung planen, können Sie sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Email an uns wenden. Ihre Geschäftsstelle für den Dritten Gleichstellungsbericht |
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